Krise beim 1. FC Köln – Aus der Sicht einer Teamentwicklung
Der 1. FC Köln steht an einem Wendepunkt: Nach einer Serie enttäuschender Ergebnisse und wachsendem Druck seitens der Fans droht die Saison frühzeitig verloren zu gehen. Sportchef Christian Keller und Trainer Gerhard Struber stehen stark in der Kritik, aber der Vorstand hält weiter an ihnen fest. Aus meiner Sicht eines Coaches für Teamentwicklung und Konfliktklärung ist diese Situation ein Paradebeispiel für die Dynamik von Teams in Krisenzeiten – und für die Frage, wie Konflikte nachhaltig gelöst werden können. Ein Konzept, das hier tiefen Einblick gibt, ist die Themenzentrierte Interaktion (TZI), die sich mit der Balance zwischen Individuen, dem Team, den Zielen und dem Umfeld befasst.
In einer kritischen Phase wie dieser, stellt sich für den Vorstand natürlich die Frage: Bringt es das Team weiter, wenn das Führungspersonal – Sportchef und/oder Trainer – ersetzt wird? Oder könnte dies die Störungen auf den Ebene sogar verstärken?
TZI als Leitlinie: Das Zusammenspiel von Ich, Wir, Es und dem „Globe“
Die Themenzentrierte Interaktion von Ruth Cohn, die in der Teamarbeit für ihre effektive Struktur bekannt ist, betrachtet vier wesentliche Elemente: das „Ich“ (die individuellen Akteure und Persönlichkeiten), das „Wir“ (die Mannschaft und ihre Dynamik), das „Es“ (die gemeinsamen Ziele und Werte) und den „Globe“ (das Umfeld, inklusive Fans, Medien und Druck von außen). Diese vier Faktoren müssen im Gleichgewicht sein, damit ein Team erfolgreich arbeiten kann.
Die Störungen auf verschiedenen Ebenen – und die Frage nach einem Führungswechsel
Beim 1. FC Köln zeigen sich aktuell Störungen auf allen vier Ebenen, die die Leistung der Mannschaft und die Stabilität des Vereins belasten. Ein Wechsel des Führungspersonals könnte hier unterschiedlichste Effekte haben.
1. Ich-Ebene: Spieler und Verantwortliche unter enormem Druck
Keller und Struber stehen derzeit im Mittelpunkt der Kritik. Die Anspannung, die sich bei jedem Einzelnen – von den Führungspersonen bis zu den Spielern – aufgestaut hat, lässt sich an Statements wie z.B. Kellers „Wenn ich Fan wäre, würde mir mein Herz auch bluten“ ablesen. Diese Emotionalität zeigt, dass die Personen stark involviert und teilweise auch belastet sind. Hier könnte ein Wechsel an der Spitze, vor allem im Sportmanagement, die Ich-Ebene entlasten, indem neue Führungskräfte weniger vorbelastet und emotional distanziert die Situation analysieren könnten.
Möglicher Effekt: Neue Führungspersönlichkeiten könnten einen frischen Blick auf die Einzelpersonen und ihre Rollen mitbringen, was Raum für neue Ideen und Veränderungsbereitschaft eröffnet. Dies kann einzelnen Spielern und Führungskräften helfen, ihre Rolle und Verantwortung besser wahrzunehmen, ohne sich zu stark in persönliche Konflikte zu verstricken.
2. Wir-Ebene: Fragiler Teamzusammenhalt
Präsident Werner Wolf beklagte das Ausbleiben einer „Reaktion der Mannschaft“ nach der Paderborn-Niederlage, was auf eine Störung der Wir-Ebene hinweist: Die Mannschaft wirkt nicht als starke Einheit. Ein Wechsel an der Führungsspitze könnte für einige Spieler eine Art „Neuanfang“ darstellen, eine Chance, alte Konflikte zu bereinigen und das Wir-Gefühl wieder zu stärken.
Möglicher Effekt: Ein Führungswechsel könnte die Mannschaft als Ganzes dazu motivieren, wieder geschlossen aufzutreten und sich neu zu formieren. Das Team könnte sich neu finden und gemeinsam auf eine Vision hinarbeiten, die von der neuen Führungsperson verkörpert wird. Allerdings könnte dies auch zu neuen Spannungen führen, wenn alte Konflikte nicht konsequent geklärt werden.
3. Es-Ebene: Unklarheiten bei Zielen und Ausrichtung
Keller betont, dass Trainer Struber zur Spielidee und den Werten des Vereins passt, aber offenbar fehlt eine klare Identität und ein Weg zum Ziel, das alle motiviert. Spieler und Fans verstehen vielleicht nicht mehr, wofür der Verein steht und wie zB die Spielidee erfolgreich umgesetzt werden kann um das (zu) hochgesteckte Ziel Aufstieg noch zu erreichen. Ein neuer Sportchef oder Trainer könnte neue Ideen und klare, erreichbare Ziele formulieren – eine Kurskorrektur, die den Fokus und die Motivation im Team stärken könnte.
Möglicher Effekt: Durch neue, klare Ziele könnten Spieler und Fans wieder Hoffnung schöpfen und ein Ziel ins Auge fassen, das die Saison nicht als „verloren“ darstellt. Ein Führungswechsel könnte damit Orientierung und eine Strategie bieten, die alle an einem gemeinsamen Strang ziehen lässt.
4. Globe-Ebene: Druck von außen und hoher Erwartungsdruck
Der Globe – das Umfeld – des 1. FC Köln setzt das Team und die Verantwortlichen stark unter Druck. Die „Keller raus“-Rufe zeigen, dass die Fans einen Wechsel erwarten. Ein Führungswechsel könnte diesen öffentlichen Druck kurzfristig entlasten und als Zeichen an die Fans verstanden werden, dass der Vorstand aktiv an Lösungen arbeitet.
Möglicher Effekt: Ein Wechsel könnte die öffentliche Kritik zumindest kurzfristig besänftigen und dem Team eine Atempause verschaffen, weil die Fans und Medien den neuen Verantwortlichen zunächst eine Schonfrist einräumen würden. Langfristig wäre es aber wichtig, dass eine neue Führung den Druck proaktiv managt und eine konstruktive Kommunikation nach außen pflegt.
Führungswechsel als Chance oder Belastung?
Ein Führungswechsel könnte sowohl Chancen als auch Risiken bergen. Während er einerseits Entlastung und einen Neuanfang darstellen kann, könnte er auch neue Spannungen erzeugen, wenn die eigentlichen Störungen nicht aufgearbeitet werden.
Ein reiner Austausch von Personen allein würde die tieferliegenden Konflikte nicht lösen, sondern nur verschieben. Damit eine langfristige Verbesserung eintritt, wäre es daher entscheidend, den Wechsel von Maßnahmen zur Team- und Konfliktentwicklung zu begleiten.
Fazit: Nachhaltige Lösung durch Balance von Ich, Wir, Es und Globe
Ein Führungswechsel allein ist kein Allheilmittel, könnte aber einen Impuls setzen, der von weiteren Maßnahmen begleitet werden muss: ein offener Austausch innerhalb des Teams, Reflexion der gemeinsamen Werte und Ziele und eine aktive Kommunikation gegenüber dem Umfeld. Die Krise bietet dem 1. FC Köln letztlich die Chance, sich von innen heraus neu zu strukturieren und eine Teamkultur zu schaffen, die auch in schwierigen Phasen Bestand hat.